Machu Picchu mit magischer Begegnung

Machu Picchu mit magischer Begegnung

Der Höhepunkt meiner Cusco-Woche war der obligatorische Besuch von Machu Picchu, der geheimnisvollen Inka-Stadt. Die Tour kann man so ziemlich überall in Cusco buchen und in der Nebensaison (Regenzeit) ist dies auch kurzfristig möglich. Allerdings ist es immer noch teuer: Für einen 2-Tages-Trip habe ich etwas 250 Dollar gezahlt.

Es ist eine ziemlich aufwendige Fahrt von Cusco nach Machu Picchu: Zunächst fährt man etwa zwei Stunden mit dem Minibus, dann ab Ollantaytambo etwa anderthalb Stunden Zug bis Aguas Calientes, eine kleine Stadt die nur durch den Machu Picchu-Tourismus entstanden ist. Von hier nimmt man noch einmal den Bus hoch zu Machu Picchu (oder man wandert zwei Stunden hoch). Da die gesamte Anreise bereits so lang ist, entscheiden sich die meisten Menschen für eine 2-tägige Tour, bei der man am ersten Tag bis Aguas Calientes fährt, dann im Hotel übernachtet und am nächsten Morgen nach Machu Picchu aufbricht.

Man kann Machu Picchu allerdings nicht einfach irgendwann betreten, sondern bucht ein Ticket für ein bestimmtes Zeitfenster. Mir wurde geraten, gleich die erste Zeit morgens um 6 Uhr zu nehmen, da es angeblich noch nicht so voll sei und man den Sonnenaufgang über den Wipfeln sehen könne. Ich verließ mein Hotel gegen 5 Uhr, um zur Bushaltestelle zu gehen, wo bereits eine wahnsinnig lange Schlange stand. Etwa eine Stunde warteten wir hier in der Kälte, bis wir die Busse betreten konnten. Oben, vor den Toren Machu Picchus warteten wir eine weitere halbe Stunde, bis sämtliche Guides ihre Gruppen zusammen hatten.

Ich betrat die Anlage morgens um 6:30 Uhr, als der ganze Ort noch mit Nebel bedeckt war. Es war eine mystische Atmosphäre. Leider lichtete sich der Neben erst am späteren Vormittag etwas, weswegen ich den frühen Termin nicht unbedingt empfehlen würde. Ich folgte meinem Guide, der uns Stück für Stück durch die Anlage führte. Allerdings war die Gruppe so groß dass man kaum etwas verstand und das Tempo war mir auch zu gering, sodass ich mich recht bald von der Gruppe entfernte, um Machu Picchu auf eigene Faust zu erkunden.

Ganz Machu Picchu besteht aus dieser geheimnisvollen, typischen Bauweise der Inkas, die für Archäologen und Ingenieure immer noch ein Rätsel ist: Die Steine ​​wurden perfekt zugeschnitten und stehen stabil im rechten Winkel auf einander, ohne sie durch Putz oder ein anderes Bindemittel zusammen gehalten werden. Das Schneiden von Steinen ohne Laser gilt bisher als unmöglich und man hat nicht einmal gescheite Hypothesen, welche Technologie hier zum Einsatz kam.

Der Besuch der Anlage ist eine ziemlich sportliche Erfahrung: Hunderte, wenn nicht gar tausende von alten, unebenen und rutschigen Steintreppen müssen bewältigt werden, um die verschiedenen Terrassen und Ebenen zu besteigen. Gerade nach dem Regen, wenn die Stufen nass sind, ist das nicht ganz ungefährlich. Das Tempo, mit dem ich anfangs los gesprintet bin, konnte ich also keineswegs halten, die Ermüdung kommt dann doch irgendwann. (Man kann sich zwischendurch auch nicht mal eben ausruhen, denn die nächste Toilette oder der nächste Kaffee ist sehr weit weg, außerhalb der Anlage. Diese darf man mit gültigem Ticket einmal verlassen.)

Gegen elf, als ich ganz oben angekommen war und nun wieder runter zum Ausgang musste, versagten meine Kräfte. Ich stand wie angewurzelt auf den Treppen und konnte mich keinen Schritt mehr nach vorn bewegen. Plötzlich sprang mir ein Mann zur Seite, der mich hinunter führte. Ein älterer Peruaner, der sich später als Daniel vorstellte und als Guide in Machu Picchu arbeitete. Er hatte seine Tour gerade beendet und war ohnehin auf dem Weg nach draußen, also nahm er mich mit auf einem kürzeren Ausgangsweg, der nur dem Personal vorbehalten war.

Daniel war etwas 60 Jahre alt und sprach sehr gut englisch. Auf dem Weg nach draußen begannen wir ein ganz wunderbares Gespräch und hatten sofort einen Draht zu einander. Vor der Anlage gibt es eine Cafeteria, wo ich Daniel zu Kaffee und Kuchen einlud. Später nahmen wir den Bus Richtung Stadt und weil ich noch gut zweieinhalb Stunden totschlagen musste bis mein Zug fuhr, ging ich mit Daniel auch noch Mittag essen.

Daniel lebt etwa zwei Stunden nördlich von Machu Picchu und betreibt eine kleine Kaffeefarm. In der Regenzeit, wenn der Kaffee wächst, ist er in Aguas Calientes und arbeitet als Tourguide. Doch eigentlich ist es seine Mission, den jungen Leuten in seiner Region, die fast keine Bildungsmöglichkeiten haben, den ökologischen Kaffeeanbau beizubringen. Wir unterhielten uns stundenlang über ökologischen Kaffeeanbau und wie schwierig es in Peru ist, eine Fairtrade-Zertifizierung zu bekommen, über Machu Picchu und Theorien zu seiner Bedeutung (Daniels Gedanken dazu waren so viel interessanter als die meines eigenen Guides), über die Inkas und den Glauben der Andenvölker an die Pachamama, über Spiritualität, unsere Lebensaufträge, über peruanische Politik und Korruption, über die Schwierigkeit, in Peru eine Krankenversicherung zu haben und die Bedeutung traditioneller Heilpraktiken vor eben diesem Hintergrund, den Klimawandel und die Beschissenheit der Dinge und darüber, ob die Welt noch zu retten ist. 

Diese zufällige, aber bedeutungsvolle Begegnung hat mich tief bewegt. Wir hatten so schnell ein vertrautes Verhältnis und unterhielten uns vom ersten Moment an über so fundamentale Themen, dass die Begegnung mit Daniel für mich zu einem größeren Highlight dieses Tages wurde als der Besuch von Machu Picchu. Auch wurde einmal mehr mein Vertrauen in die Menschen Südamerikas auf die Probe gestellt: Daniel und ich saßen in einem Restaurant und ich hatte ihn zum Essen eingeladen. Ich hatte all meine Sachen dabei: Mein Laptop, meine Kamera-Ausrüstung, Kreditkarten, Pass. Alles in einer Tasche. Als ich auf die Toilette musste, stand ich vor einem echten Dilemma: Alles hierlassen und blind vertrauen? Oder nach einem so guten Gespräch das Vertrauen zerstören und die Sachen mit ins Bad nehmen? Ich entschied mich fürs Vertrauen und wurde nicht enttäuscht. Eine Erfahrung, die ich immer wieder in Peru gemacht habe: Das Misstrauen, dass uns Reiseführer einflößen, ist oft nicht nur unbegründet, sondern steht auch einer aufrichtigen menschlichen Begegnung mit Einheimischen im Wege.