Sinnkrise in Salento

Sinnkrise in Salento

Am Donnerstag nahm ich um 11 Uhr den Bus von Medellín nach Salento. Schlussendlich dauerte die Fahrt nicht wie angekündigt 6 Stunden, sondern 10, da auf dem Weg eine Brücke eingestürzt war, die weiträumig umfahren werden musste. Erst gegen 21 Uhr kamen wir in Salento an. Auf der Fahrt lernte ich Barbara aus der Schweiz kennen. Sie hatte noch kein Hostel, also kam sie mit in meins, wo sie nach einem Zimmer fragte. Da keines mehr frei war, ließ ich sie mit in meinem Einzelzimmer mit Doppelbett schlafen. Wir gingen noch sehr spät durch die Stadt auf der Suche nach was zu Essen und hatten einen schönen Abend zusammen. Am Ende waren wir von der Fahrt und dem ganzen Tag so müde, dass es uns nicht im geringsten störte, ein sehr schmales Doppelbett miteinander zu teilen. Man wird doch recht anpassungsfähig auf Reisen.

Am Tag darauf, Freitag, ruhten wir uns erstmal wieder aus. Wir bummelten durch die Stadt und Barbara fand schließlich ein Hostel. Außerdem traf ich mich mit Andrea, die ich in einer Kolumbien-Gruppe auf Facebook kennengelernt hatte. Abends gingen wir zu dritt was essen und hatten wieder einen schönen Abend.

Heute war ich mit Andrea im Valle de Cocora, um die großen Wachspalmen anzusehen. Das Valle de Cocora wird hier als große Attraktion gehandelt, aber meine Begeisterung hielt sich etwas in Grenzen. Die Landschaft war toll, zweifellos. Doch der normale Besuch besteht daraus, einen langen Wanderweg durch das Tal zu gehen, wobei „Tal“ ein Euphemismus ist, da es auch aus sehr vielen Bergen besteht. Andrea und ich gingen den kurzen Weg ins Tal, der angeblich nur 20 Minuten dauern sollte. Da es die ganze Nacht und den ganzen Vormittag geregnet hatte, war der Weg unglaublich matschig und es war schwer, vorwärts zu kommen. Andrea hasst wandern genauso wie ich, was die Sache für uns beide etwas erleichterte, da keiner ein schlechtes Gewissen haben musste. Wir stapften durch den Matsch, machten die typischen Fotos und gingen zurück.

Für die Fahrt zwischen Salento und dem Valle de Cocora gab es Jeeps aus den 40er Jahren, die von außen abenteuerlich aussahen, die Fahrt war allerdings noch abenteuerlicher: Die Fahrer stopften die kleinen Autos so voll mit Leuten und ließen dann auch noch Personen auf dem Trittbrett am Heck mitfahren. Unser Fahrer für die Rückfahrt weigerte sich loszufahren, bevor nicht vier Personen zusammen waren, die stehend die halbstündige Fahrt mitmachen würden. Dass es für ihn viel wirtschaftlicher wäre, mit 8 Personen statt 10 eine halbe Stunde früher loszufahren, um dann früher wieder Leute in Salento einsammeln zu können, das kam ihm nicht in den Sinn. Wirtschaftliches Denken ist hier nicht besonders weit verbreitet.

Noch schlimmer als die Mentalität des Fahrers fand ich allerdings einige andere Fahrgäste: junge Leute aus Deutschland und Österreich, die Wandern als Hochleistungssport betrieben, nicht lachen konnten und auch kein Interesse hatten, sich mit anderen zu unterhalten. Von denen gibt es hier sehr viele. In Peru gab es die sicher auch, dort konnte ich denen dort besser ausweichen, da es genug nette Alternativen gab. Kolumbien hingegen ist voll von jungen Party-Backpackern und Selbstoptimierern. Einer der Gründe, warum ich mit Kolumbien bis heute nicht warm geworden bin.

Ein anderer Grund sind die Kolumbianer. Sie sind längst nicht so offen und warmherzig wie die Peruaner. Aus Peru war ich es gewohnt, dass einen jeder anspricht und ein bisschen plaudern will. Das kann zwar auch anstrengend sein, verbreitet aber zumindest ein echtes Willkommensgefühl und ich habe dadurch sehr viel über Land und Leute erfahren. In Kolumbien gibt es zwar auch immer mal ein paar nette Leute, die sich unterhalten wollen, aber der Vibe ist ein anderer. So richtig springt der Funke nicht über.

Ein dritter Grund dafür mag sein, dass es hier deutlich weniger indigenes Leben gibt. Oder es mischt sich nicht so sehr mit der spanischstämmigen Kultur sondern findet eher in abgegrenzten Gebieten statt. Die bunten Märkte zum Beispiel, auf denen man allerhand Heilkräuter und Hexenmedizin kaufen kann, wie man sie in Peru in jeder Stadt findet, scheint es hier nicht zu geben.

Ich habe in den letzten Tagen viel mit mir gerungen, wie ich die Reise weiterhin gestalten soll. Denn der ursprünglich vorgesehene Weg nach oben an die Karibik-Küste erscheint mir nach den jüngsten Erlebnissen wenig attraktiv. Dort wird es noch mehr von diesen typischen Party-Backpackern und Selbstobtimierern geben und genauso wenig von dem, was ich eigentlich suche. Daher zog ich für mich den Schluss, dass ich wohl doch nach Putumayo muss. Das ist die Region, die einem jeder nennt, wenn man nach Ayahuasca in Kolumbien fragt. Putumayo liegt im Südwesten an der Grenze zu Ecuador. Dort gibt es noch viele indigene Stämme, die Yagé noch als Teil ihres Alltags leben.

Ich war mir ja immer unsicher, ob ich Ayahuasca auf dieser Reise einbauen will/soll oder nicht. Doch meine Ablehnung des „anderen“ Backpacker-Lebens hat mich diesbezüglich in eine kleine Sinnkrise gestürzt. Wenn ich das „andere“ langweilig finde und mich nach dem Spirituellen sehne, muss ich diese innere Stimme wohl ernst nehmen. Ansonsten dümpel ich auf der Reise nur so herum und folge einem Plan, der nicht meiner ist.

Eine Befürchtung in Bezug auf Putumayo war die Sicherheit. Die Region ist nicht einmal im Lonely Planet verzeichnet, die Infrastruktur ist nicht besonders gut und es war in den vergangenen Jahren auch ein beliebtes Gebiet für Guerilla-Gruppen. Alleine dorthin zu reisen wäre sicher noch mal ein ganz besonderes Abenteuer, weil eben doch etwas heikler als alle anderen Routen, die ich bisher genommen habe. Was jedoch dafür spricht, ist die Möglichkeit, dort wirklich echte Curanderos zu finden, die Yagé ohne kommerzielle Absichten anwenden. Zurück in Deutschland würde ich mich wohl ärgern, dieses Abenteuer ausgelassen zu haben. Also habe ich heute ein Hostel in Mocoa gebucht und mir einen Nachtbus dorthin rausgesucht.